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Wenn die Gesundheit der Spieler keine Rolle spielt

Die DFL hat es vorgemacht - die 3. Liga zieht nun nach. Der Spielbetrieb wird trotz der noch immer grassierenden Corona-Pandemie auch im „Premiumprodukt“ des DFB wieder aufgenommen. Und das ausstehende Restprogramm hat es in sich. Bis zum 30. Juni will man, so der fromme Wunsch aus Frankfurt, die verbleibenden elf Spieltage mit fünf aufeinanderfolgenden Englischen Wochen durchziehen.

„Die 3. Liga arbeitet konzentriert an einer möglichen Fortsetzung der Saison und ihrem Erhalt als Profiliga. Wir würden uns freuen, ab 26. Mai wieder unseren Beruf im Spielbetrieb ausüben zu können. Es sollte stets unser grundsätzliches Ansinnen sein, dass die sportlichen Entscheidungen auf dem Spielfeld fallen und nicht am grünen Tisch“, sagte Tom Eilers, Vorsitzender des Drittliga-Ausschusses. An sich ist an dieser Idee ja nicht viel verkehrt, die Realität ist jedoch eine komplett andere:

Punkt 1: Das angedachte Hygienekonzept ist nahezu identisch mit dem der ersten beiden Ligen. Auf Seiten der Umsetzbarkeit sieht es da schon etwas anders aus. Einen Hauptamtlichen Hygienebeauftragten sollen die Vereine einstellen, der dann die gesamte Verantwortung trägt. Das können einige Vereine nicht leisten. Immer weiter steigende Kosten stehen keinen steigenden Einnahmen gegenüber. „Corona-Trainingslager“, Aufenthalte in Hotels, angeordnete Corona-Tests, die an anderer Stelle wohl besser genutzt wären, bringen die Vereine immer weiter in Bedrängnis. In einer Liga, wo die Mehrheit der Vereine sowieso schon am finanziellen Limit wirtschaftet, scheinen Insolvenzen mehr denn je zum realistischen Szenario zu werden.

Punkt 2: Stimmen die Kommunen nicht den Plänen aus Frankfurt zu, soll die Möglichkeit bestehen, Spiele an einem neutralen Ort auszutragen. So will man den Vereinen also nicht nur die Zuschauer nehmen - immerhin die Haupteinnahmequelle der Vereine in der 3. Liga -, sondern auch die heimische Spielstätte. Sollten also Vereine, wie beispielsweise Jena, gar nicht Zuhause trainieren oder spielen dürfen, kämen sie so um einen Antritt nicht herum. Die Heimat - das eigene Stadion - und damit die Identität der Vereine hätte keinen Stellenwert mehr. Die Verbote der Länder und Kommunen, aufgestellt zum Schutze aller, würden ad absurdum geführt.

Punkt 3: Spielen um jeden Preis - so scheint sich zumindest immer mehr der Eindruck zu verfestigen. Die Gesundheit der Spieler nimmt in diesem Szenario keine primäre Stellung ein. Ziemlich deutlich wird an dieser Stelle Sören Bertram vom 1. FC Magdeburg. "Der DFB will unbedingt, dass es weitergeht. Die Spieler werden zu diesem Thema aber überhaupt nicht einbezogen. Wir sind nur Marionetten“, äußert er sich dazu in der Magdeburger Tagespresse. Gerade als Leistungssportler weist er auf die Gefahr hin, sich bei einer Infektion mit der Lungenkrankheit, womöglich eine Zukunft in seinem Beruf zu berauben. Das Verletzungsrisiko per se nach dieser langen Zeit ohne Training auf höchstem Level, bereitet auch anderen Spielern Sorge - von vollem Einsatz auf dem Feld wird trotz Corona wohl kaum ein Spieler absehen.

Wie so oft scheint es nur um das Finanzielle zu gehen. Ob die betroffenen Vereine die Auflagen erfüllen können, ob die Spieler gefahrlos ihren Beruf ausüben können oder ob die Vereine „Geisterspiele“ finanziell überleben können - darauf gibt es bislang wenige befriedigende Antworten. Sportlich fair wird die Saison jedenfalls nicht beendet, wie auch MSV-Chefcoach Lieberknecht vor einigen Tagen eindrucksvoll anmerkte. Unsere Zebras befinden sich zwar die längste Zeit aller Drittligisten wieder im Kleingruppentraining - und wir können uns diesbezüglich glücklich schätzen -, mit fairen Bedingungen hat das aber herzlich wenig zu tun.

Es bleibt die Frage offen, ob sich der Fußballsport in der aktuellen Situation nicht zu wichtig nimmt. Bei erneut ansteigenden Infektionszahlen, einer Reproduktionsrate wieder über dem kritischen Wert von 1, mit Dynamo Dresden einer gesamten Mannschaft in 14-tägiger Quarantäne und massiven Bedenken aus Politik, Gesundheit und den Vereinen selbst, sollte doch zumindest die Variante „Abbruch“ mehr Gehör finden. So hoch kann der gesellschaftliche Wert einer Branche gar nicht sein, dass eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs, wie sie nun geplant ist, umgesetzt wird.

Autor: Marcel Eichholz
Datum: 11.05.2020
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