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Mein Herz schlägt numa hier

Mit Spannung wird die Dokumentation rund um den Meidericher Spielverein bei den Fans erwartet. Die ersten vier Folgen sind nun kurz vor der Veröffentlichung. Ab Donnerstag kann ganz Fußball-Deutschland einen Blick hinter die Kulissen der Zebras werfen. Grund genug für die Zebraherde, mit Regisseur Michael Niermann ein ausführliches Interview zu führen.

Ihr seid mit dem Thema Fußballdokus am Puls der Zeit. Mit "Sunderland ‘till I die" oder "All or Nothing" von Manchester City gibt es bereits umjubelte Serien. Was macht den MSV Duisburg spannend?

Als RTL auf mich zugekommen ist und gefragt hat, ob ich das Projekt begleiten möchte, habe ich mir genau diese Frage natürlich auch gestellt. Letztlich hat mich das Umfeld gereizt. Ich bin in einem Alter, in dem ich mit Ennatz meine Fußballjugend verbracht habe, der MSV mir also schon immer ein Begriff war. Auf der einen Seite ist die Tradition des Vereins sehr spannend, auf der anderen Seite aber auch die Stellung des Vereins im Ruhrgebiet. Wir filmen den MSV nun seit über zehn Monaten und haben hier im Pott unglaublich viele positive Dinge erlebt: das fängt im Verein selbst an und geht dann über die Fans bis hin zum gesamten Umfeld. Egal wo wir hinkamen – ob nach Marxloh oder Meiderich -, wir haben überall extrem freundliche Menschen getroffen, die spannende Geschichten erzählt haben. Aber das ganze halt sehr Pott-typisch – grade heraus, offen und ehrlich. Dass der Verein für die Menschen unglaublich wichtig ist, hat sich immer wieder gezeigt.

Einen Hochglanzverein, Erfolge und die großen Siege wird es nicht zu sehen geben - vielmehr eine Arbeiterstadt im Wandel und Menschen, die vielleicht auch sehr ambivalent mit Kritik und gleichzeitig auch Leidenschaft an ihrer Stadt und dem Verein nicht sparen. Wie seid ihr denn an die Umsetzung gegangen und gab es auch eine kritische Betrachtung in Richtung Verein? Auf was können wir uns da freuen?

Ja, auf jeden Fall. Die ganze Situation startete ja schon so, dass es keine Erfolgsgeschichte war und es auch erst einmal sportlich nicht werden wird. Wir beschönigen nichts, sondern sind da sehr authentisch und ehrlich. Wir haben keine einzige Situation im Film inszeniert, sondern einfach das beobachtet, was passiert ist. Und das ist wirklich schon sehr komprimiert in den letzten Monaten. Seit wir dabei sind, ist so viel passiert, was nicht immer glücklich lief, sondern teils dramatisch war und wir zeigen es halt auch einfach so, wie es passiert ist. Wir zeigen diese Emotionen innerhalb der Mannschaft. Wir zeigen, dass Extremsituationen halt auch vorkommen, wenn du nach den Spielen in die Kabine gehst, wenn du bei den Ansprachen bist, die nach diesen Niederlagen gehalten werden, wenn du nach den Niederlagen an der Westender Straße bist. Das sind dann keine schönen Situationen, da geht es ans Eingemachte. Da geht es um Kritik an den Spielern, da geht es um Kritik am Gesamtsystem. Also es ist nicht so, dass wir bis jetzt eine Erfolgsgeschichte hatten, so gerne man sich das auch mittlerweile selbst wünscht.

Natürlich blicken wir auch zurück in die Vergangenheit. In den ersten vier Episoden treten Charaktere wie Hoppi auf oder wir behandeln die Vizemeisterschaft 63/64, aber vor allen Dingen sind wir natürlich im Jetzt und das ist einfach nicht lustig. Da wird nichts beschönigt, sondern es ist auch geradeaus so gezeigt, wie es war. Und ich finde, das verdient es auch. Es ist die Geschichte eines Fußballvereins, der im Existenzkampf steckt. Das macht natürlich etwas mit den Fans, die unzufrieden sind und das verständlicherweise auch äußern.

Im Idealfall wird diese Serie in ganz Deutschland geguckt. Wie empfindest du denn das Fanumfeld im Kontext der berechenbaren Maschinerie im Profifußball? Emotionen auf der einen Seite, auf der anderen Seite klares Kalkül und Strukturen, die eben nicht mehr traditionell sind. Wie hast du das wahrgenommen?

Ich glaube, dass die Fans, mit denen wir gesprochen haben, offen und ehrlich gesagt haben, was sie denken und aus ihren Gefühlen und der Unzufriedenheit keinen Hehl gemacht haben. Niemand findet es toll, eine Klatsche nach der nächsten zu kassieren. Auch die Mannschaft sagt, dass sie „Verständnis hat für die Fans, bei der Scheiße die wir auch spielen“. Natürlich hätten wir auch gerne mit der Ultraszene gesprochen, aber das hat leider nicht geklappt, was wir auch akzeptiert haben. Unglaublich emotionale und engagierte Fans haben wir dennoch begleiten können und haben neben der Zebraherde, die mit dem MSV-Kneipenquiz oder den TanZebras sehr aktiv ist, auch die Zebrakids und andere sehr emotionale Situationen gedreht. Und das ist für mich auch ein wichtiger Bestandteil von dem, was diese Serie ausmacht. Was macht diese Liebe zwischen Fan und Verein aus? Und auch der Umgang miteinander?

Wir haben eine Geschichte, die in der zweiten Staffel kommen wird, die für mich so ein Sinnbild für die Besonderheit in Duisburg ist. Das ist die Geschichte von Michael Tönnies und seiner Krankheit. Beginnend natürlich in seiner aktiven Zeit und der Frage, wer er für die Fans und den MSV war und wie sie ihn wahrgenommen haben. Was es so außergewöhnlich macht, ist diese Leidensgeschichte, dass er diese schwere Lungenkrankheit hatte und über Jahre vor sich hingesiecht ist und im Grunde auch seelisch mehr tot als lebend war, bis dann aufgrund dieser wundervollen Initiative, die ein Buch voller Liebesbriefe & Fanpost für ihn zusammengestellt hat, er letztendlich dazu bewogen wurde, neuen Mut zu schöpfen und sich für eine Lungentransplantation zu entscheiden. Ihm wurde gezeigt, dass er nicht vergessen ist, die Fans ihn immer noch im Herzen haben.

Wir hatten hier bisher sehr viele und sehr bewegende Momente bei unseren Arbeiten, aber es war schon sehr besonders, als wir dann auch mit Tönnies‘ Geschwistern gesprochen haben und die dann auch wortwörtlich sagten, wie dankbar sie den MSV-Fans seien, weil die ihnen einfach ihren Bruder nochmal für vier Jahre geschenkt haben. Und das ist außergewöhnlich. Das erlebt man nicht woanders.

Jetzt hast du im Gegensatz dazu natürlich auch die andere Seite sehen dürfen, die komplette professionelle Maschinerie im Hintergrund von Sponsoren über Anteilseigner und so weiter. Wie hast du diese Seite wahrgenommen?

Wir hatten gar nicht so viel Kontakt mit Sponsoren. Mit Capelli haben wir aber beispielsweise sehr ausführlich gesprochen. Sowohl Kay Mourheg als Europa-Chef, als auch George Altirs selbst haben sich viel Zeit für uns genommen. Natürlich wissen sie, dass sehr viele Fans ihr Engagement skeptisch sehen, da sie ja 40,1 Prozent an der KGaA halten. Sie haben sehr ehrlich ihre Seite geschildert und dass sie ihr Engagement beim MSV nicht zur Einflussnahme in Entscheidungen des Vorstandes nutzen wollen. Ich glaube, dass der MSV ohne Capelli und viele andere Großsponsoren schon längst nicht mehr da wäre, wo er jetzt ist – nämlich im Profifußball. Natürlich ist Fußball ein Geschäft. Das war er schon immer und wird er auch immer bleiben. Mit Capelli haben wir im Speziellen gesprochen, da sie eben nicht bloß Sponsor, sondern Anteilseigner sind. Ich fand es bemerkenswert, wie sie vermittelt haben, dass es ihr Ziel ist, dass der Verein wieder komplett auf eigenen Beinen stehen kann. Diese Vision ist in den vergangenen zwei Jahren in der 3. Liga sicherlich nicht einfacher zu erreichen geworden. Da fehlt einfach das zehnfache an TV-Geldern, die es in der 2. Bundeliga gäbe.

Als wir angefangen haben zu drehen, stand ja die Aussage im Raum, dass der MSV kurz- bis mittelfristig aufsteigen muss, um finanziell über die Runden zu kommen. Ich beneide auch nicht den Vorstand, der – bis Corona voll eingeschlagen hat – einen sehr guten Job machte und die Verbindlichkeiten deutlich reduzieren konnte. Natürlich hat sich die finanzielle Situation seitdem nicht zum besseren entwickelt, die sportliche Talfahrt kam erschwerend hinzu und bis vor Kurzem stand da besonders Ivo in der Kritik, der mit mehr als überschaubaren Mitteln einen schlagkräftigen Kader zusammenstellen sollte.

Emotionen, Tradition und Passion sind Dinge, die die Fans berühren. Ihr habt Fans ganz unterschiedlicher Ausrichtung begleitet – was erwartet uns in dieser Hinsicht?

Wir haben versucht, eine gute Mischung zu finden, um möglichst aus jeder Richtung eine Meinung zu haben und alle mitzunehmen. Da gibt es Fans, die schon in den 80ern unterwegs waren und nicht immer den seichtesten Weg genommen haben, aber es gibt natürlich auch Leute wie Marion Schübel, die seit Jahrzehnten ehrenamtlich im Verein helfen. Wir haben immer versucht, den Fans eine Stimme zu geben, und ich glaube, dass uns das ganz gut gelungen ist.

Andererseits kommen auch Markus Krebs und Joachim Llambi immer wieder vor. Krebs ist einfach Fan durch und durch und gibt sehr authentisch seine Sichtweise wieder. Bei Llambi ist es nicht anders, auch wenn er mittlerweile einen großen Promi-Status erreicht hat. Das will er nutzen und dem Verein dabei helfen, neue Sponsoren zu gewinnen. Das tut er natürlich nicht ganz uneigennützig, aber das kommuniziert er auch genauso und es ist ja auch nicht verwerflich.

Wie wichtig ist eine Fanszene für den eigenen Verein und die Stadt? Du hast ja mit der Zebraherde und den Zebrakids in Duisburg Gruppen kennengelernt, die sozial sehr engagiert sind, wie natürlich auch ganz viele weitere Fans.

Das ist ganz immens wichtig. Was beispielsweise ihr als Zebraherde für Projekte macht, ist natürlich bemerkenswert und es hilft auch ganz vielen Menschen. Bei den Zebrakids ist es ja nicht anders. Sie erfüllen schwerkranken Kindern den Wunsch noch einmal ein Spiel im Stadion zu sehen. Ich glaube, dass das Fanumfeld und die Fans das Herz des Vereins sind. Man darf nicht unterschätzen, wie wichtig das Miteinander ist und dass es eben kein Nebeneinander sein kann. Das ist bei jedem Verein im Kern so, natürlich in unterschiedlichen Facetten und Ausprägungen. Ich glaube, alle Fußballfans verbindet sehr viel, aber doch ist jeder Verein komplett anders….

… was dann aber auch genau das spannende sein kann, was Fans anderer Vereine dazu motiviert, sich die Serie anzuschauen.

Genau. Diese Frage haben wir uns auch gestellt: Was würde mich persönlich dazu bewegen, eine Doku über den MSV Duisburg zu schauen? - Was uns von den bisher erschienenen Dokumentationen unterscheidet, ist zum einen, dass wir keinen Marketing-Film für den MSV gemacht haben, gerade weil wir den Existenzkampf zeigen, und zum anderen, dass wir wirklich hautnah dabei waren und all diese Extremsituationen mitbekommen haben. Wir haben uns nicht nur auf die Mannschaft fokussiert, sondern ganz bewusst den Kontakt zum Umfeld und den Fans gesucht. Da gab es ganz bewegende und emotionale Momente.

Ihr wart auch in der Kabine dabei und bei vielen Situationen, die sonst hinter verschlossenen Türen stattfinden. Musstet ihr auch mal einen Dreh abbrechen?

Direkt abbrechen mussten wir keinen Dreh. Aber natürlich gab es Momente, beispielsweise bei Transferverhandlungen, wo uns gesagt wurde, dass wir ab einem bestimmten Punkt bitte die Kamera ausmachen sollen. Besonders wenn es um Geld ging, war das der Fall. Trotzdem war der Verein da insgesamt sehr offen, aber es hat auch Grenzen gegeben, was ich aber auch absolut verstehen kann. Wir durften sehr, sehr viel und waren zum Beispiel dabei, als sich Ivo nach seinem Rücktritt von der Mannschaft verabschiedet hat. Auch die Freistellung von Pavel Dotchev war so ein Moment. Da konnten wir miterleben, was das auch für ihn als Menschen bedeutet.

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Mit diesem Moment endet die vierte Folge der 1. Staffel, die ab Donnerstag bei RTL+ verfügbar ist. Weitere vier Folgen werden später in diesem Jahr ausgestrahlt. Ob es zu einer Fortsetzung kommt, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden und hängt sicherlich auch von den Einschaltquoten ab. Nachdem es sportlich alles andere als planmäßig lief, könnte das Staffelfinale mit dem Sieg im Niederrheinpokal doch noch ein Happy End finden, doch der Ausgang ist da noch völlig offen.

Autor: Mathias Langnickel und Marcel Eichholz
Datum: 16.02.2022
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