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Mit voller Kraft in die Nachspielzeit

Zum 60. Geburtstag von Michael Tönnies

Es gibt diese Momente im Leben, an denen man sich umdreht und zurückblickt. Man blickt zurück auf sein eigenes Leben, man blickt zurück auf das Geschehene im Umfeld von Familie und Freunden und man blickt zurück und betrachtet die Dinge, die einen selbst bewegt haben.

Am heutigen Tag, dem 19. Dezember 2019, wäre Michael Tönnies 60 Jahre alt geworden. Er hat es nicht geschafft diesen Tag zu feiern, aber nicht zuletzt mithilfe der MSV-Fans konnte er noch einige Jahre länger ein Teil der Zebra-Familie sein.

„Ich werde keine 60“, sagte Michael in einem Interview 2011. Ein Schock der in Fankreisen rasant die Runde machte, wurde doch die Krankheit von Michael mit einem Mal greifbar und allgegenwärtig. Es begann im MSV-Portal. Fans schrieben ihre Gedanken und Wünsche für Michael nieder - es waren hunderte. Ehemalige Mannschaftskameraden wurden ausgemacht und schlossen sich dem Projekt an. Das gesammelte Werk - mittlerweile ein kiloschweres Album - wurde ihm am 1. Dezember in seiner Stammkneipe übergeben. Für Michael ein bewegender Moment, der ihn nachhaltig beeinflusste und ihm neue Kraft gab. Fortan war dieses Buch seine Bibel und immer an seiner Seite.

Für Michael war es nie leicht fremde Hilfe anzunehmen, zu sehr war er der Einzelkämpfer. Sein bewegtes Leben voller Höhen und Tiefen war am absoluten Tiefpunkt angekommen. Er hatte alles verloren und wohnte wieder bei seinen Eltern im Kinderzimmer. Die Treppe hinauf in die erste Etage stellte ihn immer wieder vor eine schier unüberwindbare Herausforderung. Die geschundene Lunge machte einfach nicht mit. Mehr als ein paar Stufen waren nicht möglich, die ganze Treppe eine Aufgabe von unzähligen langen und qualvollen Minuten. Sein Leben befand sich auf der Kippe und er stand am Rande einer Depression. Es waren die Fans, die ihn zum Kämpfer werden ließen. Die Fans als Gesamtheit und ein paar wenige, die ihn fortan begleiteten.

Die Herausforderungen für eine Lungentransplantation zugelassen zu werden, waren groß und der finanzielle Aufwand stand dem in nichts nach. Der Kontakt zum Bundesverband der Organtransplantierten wurde hergestellt und nach und nach gelang es Michael, den Anforderungen gerecht zu werden.

Am 8. Mai 2012 traf im Duisburger Wedaustadion die MSV-Traditionself auf eine Mannschaft bestehend aus Freunden und Weggefährten von Michael. Innerhalb weniger Wochen wurde dieses Benefizspiel organisiert. Am Ende stand es 4:7 - doch das Ergebnis interessierte hier keinen.

Es galt aufmerksam zu machen - aufmerksam auf das Schicksal von Michael und mit ihm gemeinsam den Weg in die Zukunft zu bereiten. Beim 5. Andreas-Görkes-Cup wenige Tage später, stand Michael erneut ganz im Fokus der Fanszene. Das Fanclubturnier, organisiert vom Fanprojekt und der Zebraherde, setzte den Schwerpunkt bewusst auf das Thema Organspende. So war auch der BDO mit einem Informationsstand vor Ort und die Einnahmen des Tages gingen komplett an diesen. Es begann die Zeit des Wartens. Michael erfüllte die Anforderungen für eine Transplantation und er blickte mittlerweile optimistischer in die Zukunft.

Es war mitten in der Nacht, als das Telefon schrillte. „Sie haben eine Lunge für mich. Ich bin auf dem Weg nach Hannover“, kam es ganz aufgeregt und zugleich angespannt aus dem Hörer. Schlagartig war man hellwach und das bange Warten begann. Kurze Zeit später bekam man die Meldung, dass es doch nicht gepasst hatte - Fehlalarm! Es folgten zwei weitere hoffnungsvolle Anrufe und aber erst im vierten Versuch gab es endlich die erlösende Gewissheit. Je länger kein Anruf kam, desto besser standen die Chancen, dass es endlich geklappt hatte. Am 6. April 2013 bekam Micha endlich seine neue Lunge. Es war ein Samstag und in der Bundesliga lief grade die zweite Halbzeit, als der „Dicke“ wieder seine Augen öffnete - ganz der Fußballer halt.

Für jeden von uns waren es nur Kleinigkeiten, aber für Michael waren es die großen Ziele. Er wollte wieder alleine einkaufen gehen, grade die Käsetheke wollte ihm nicht aus dem Kopf. Michael kämpfte sich Stück für Stück zurück ins Leben. Als es ihm immer besser ging, machte ihm sein Verein einen Strich durch die Rechnung - Lizenzentzug! Im Juni 2013 hielt er es nicht mehr Zuhause aus. Er wollte dabei sein - ganz vorne. So fand sein erster öffentlicher Auftritt nach der Transplantation bei der Mahnwache der Fans vor dem Wedaustadion statt. Noch schwer gezeichnet, erschien Michael mit einem Mundschutz vor seinem Wohnzimmer. Die Fans kamen sofort auf ihn zu, um mit ihm das Leben zu feiern. Selfie folgt auf Selfie und auch der Mundschutz war längst verschwunden. Die Gefahr einer Infektion bestand, aber Michael wurde deutlich: „Ich kann doch hier nicht mit Mundschutz rumlaufen, das geht doch nicht:“ In der Presse zogen die Bilder weite Kreise, sogar bis nach Hannover und bis zu seinem Arzt. Der Rüffel folgte promt und zum Glück ging alles gut aus.

Im Heimspiel gegen Rot-Weiß Erfurt am 15. Februar 2014 war Michael erstmals an der Seite von Leiwi als Stadionsprecher tätig. Bis zu seinem Tod besetzte er diesen Posten voller Inbrunst. Man merkte ihm die neu gewonnene Lebensfreude in jeder Sekunde an. Er blühte förmlich auf und konnte mittlerweile schonungslos mit sich selbst und seiner Lebensweise in der Vergangenheit hart ins Gericht gehen. Er räumte auf und stellte sein Leben komplett auf den Kopf. Leben, er wollte leben! Es war die Chance, die er erhalten hatte und nutzen wollte. Der gemeinsame Weg von Michael und der Zebraherde wurde am 16. April 2014 offiziell gemacht. Beim MSV-Tag in der Duisburger Königsgalerie wurde Michael das dritte Ehrenmitglied der Zebraherde - nach Bernard Dietz und Günter Preuss.

Fast vier Jahre später war es vorbei. Plötzlich und ganz unerwartet starb Michael am 26. Januar 2017. Überwog zunächst die Trauer, gewann die Erinnerung und die Dankbarkeit an Micha schnell die Oberhand. Er hatte das Leben zuletzt so positiv gesehen, bezeichnete er doch die Zeit nach seiner Lungentransplantation immer als Nachspielzeit. Michael Tönnies und die Zebraherde pflegten die letzten Jahre eine immer innigere Beziehung. „Ohne euch wäre ich schon gar nicht mehr hier“, hörte man ihn oft sagen, wenn er Veranstaltungen der Herde besuchte.

Am vergangenen Wochenende fand das 1. MSV-Kneipenquiz statt. Unter den Anwesenden befand sich ein MSV-Urgestein, wie es auch Michael war. Joachim Hopp kam und auch er sprach über Michael. „Micha war unglaublich freundlich und voller Herzlichkeit, grade gegenüber den jüngeren Spielern damals in der Mannschaft. Er war immer da!“, blickte Hoppi auf die gemeinsame Zeit zurück.

Es gibt diese Momente im Leben, an denen man in die Zukunft schaut. Oft ist es ein Blick ins Ungewisse. So weiß doch niemand, was die Zukunft für einen bereit hält. Und doch gibt es einen stetigen Begleiter: Es sind die Erinnerungen an die Vergangenheit, die uns auch auf dem Weg in die Zukunft begleiten. So wird uns auch immer die Erinnerung an Michael Tönnies begleiten und er wird in den Herzen seiner Familie, Freunde und den MSV-Fans weiterleben.

Lieber Michael, zu deinem 60. Geburtstag wünschen wir dir alles Gute und lass es da oben mächtig krachen!

Autor: Marcel Eichholz
Datum: 19.12.2019
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